Martí Guixé: Prinzipien des Designs, angewandt auf das Essen
(GUIXE' PORTRAIT: @copyright Knölke/Imagekontainer)
Es geht darum, Essen zu entwerfen und zu planen und die Erfahrung, die wir damit machen würden, wenn es ein Gegenstand wäre. Küche und Essen werden zum Experimentierfeld. Martí Guixé ist ein vielseitiger Künstler, der sich gerne zwischen Design, bildender Kunst und Performance hin- und herbewegt. Seine visionären Arbeiten sind bereits um die Welt gereist und waren im MoMa und im Centre Pompidou zu sehen. Aber dieser katalanische Designer oder „Ex-Designer“, wie er sich selbst gerne bezeichnet, ist vor allem ein Guru des Food Design.
„Mitte der Neunzigerjahre habe ich angefangen, mich mit Food Design zu beschäftigen. Damals interessierte ich mich als Produktdesigner sehr für Herstellung und Massenkonsum. Mir wurde klar, dass auch das Essen ein Produkt des Massenkonsums ist, auch wenn man es nicht als Gegenstand wahrnimmt. Ich begann damit, über essbare Objekte nachzudenken und konnte auf diese einige Prinzipien des Designs anwenden und damit einen neuen Entwurfsmodus ins Leben rufen. Food Design ist daher für mich der Entwurf und die Planung des Essens, so als ob es ein Gegenstand wäre.“
Und tatsächlich wendet Guixé in seinen Food Design-Projekten traditionelle und entscheidende Parameter des Designs, Ergonomie und Funktionalität, auf die Lebensmittel an. Eine wahrhaft unkonventionelle Neuinterpretation des herkömmlichen Essenskonzepts: Da wären beispielsweise seine I-Cakes, essbare Tortendiagramme, deren Zutaten in Prozent farbenfroh die Oberfläche dekorieren oder die allerersten Techno-Tapas von 1997, die als Snack mit nur einer Hand während der Arbeit oder beim Sport gegessen werden können:
„Was die Techno-Tapas betrifft, so war die Idee, frische pflanzliche Elemente zu entwerfen, die man ohne Teller und Besteck und nicht am Tisch essen konnte. Das essbare Objekt wurde derart gestaltet, dass keine zusätzlichen Elemente nötig wurden, um es zu essen. Die Techno-Tapas können zu jeder Zeit und in jeder Situation konsumiert werden.
Die I-Cakes sind dahingegen eine Funktionalisierung der Tortendekoration mittels einer Grafik (in diesem Fall einem Tortendiagramm), die den Prozentsatz der Zutaten anzeigt, während sich darunter eine herkömmliche, konventionelle Torte befindet“.
Ganz gleich, ob es sich um Torten oder Tapas handelt, für den katalanischen Designer ist der rote Faden des Food Design immer gleich: Essen als Objekt zu betrachten und daher diese Disziplin, von der er mittlerweile ein lautstarker Vertreter ist, nicht mit der kreativen Küche oder mit Show Cooking zu verwechseln:
„Das Essen als Objekt wahrzunehmen und daher nach einem Designprojekt zu planen ist der Ausgangspunkt meiner Arbeit des Food Design. Ich interessierte mich außerdem für das Prinzip der Entmaterialisierung von Gegenständen, wobei das Essen mein Lieblingsobjekt darstellte, weil es im Verdauungstrakt verschwindet und in Energie umgewandelt wird. Seit 1995, als ich angefangen und im Februar 1997 meine erste Ausstellung in der Galerie H2O in Barcelona hatte, hat sich das Food Design in verschiedene Richtungen entwickelt. Ich schlage eine deutliche Unterscheidung zwischen kreativer Küche, Show Cooking und experimentellen Küchen und der gestalterischen Planung von Essen vor. Das Design ist das Projekt Essen und nicht die Zubereitung von Essen zur Befriedigung der Sinne.“
Eine gebührende Präzisierung in Zeiten, in denen mit der Zunahme von Aktivitäten rund um das Thema Food das Risiko von Doppeldeutigkeiten zweifelsohne groß ist:
„Einige so genannte Food Designer sind in sich widersprüchlich, weil sie hauptsächlich an der Schaffung von Erlebnissen mittels Essen und nicht an der Planung des Essens in experimenteller Hinsicht arbeiten.“
Für Guixè ist Food Design jedoch ein holistischer Prozess, der bei richtiger Anwendung zu überraschenden Ergebnissen führen kann:
„Das Projekt des Food Design im Allgemeinen ist sehr komplex und holistisch, sollte auch gesellschaftliche, geopolitische sowie gesundheitliche Probleme in Betracht ziehen und muss natürlich für alle Sinne ein Genuss sein. Wenn das Projekt des Designs daher richtig konzipiert ist, dann geht daraus ein essbares Produkt hervor, das besser ist als das Essen, das nach traditionellen Parametern zubereitet wird.“
Berücksichtigung sollte außerdem auch der Raum der Küche finden, der laut des katalanischen Designers die Erfahrung des Essens in allen Phasen, von der Zubereitung bis zur Aufnahme der Lebensmittel, massiv beeinflusst
„Die Küche ist als Raum und Gruppierung von Instrumenten und Handbewegungen für die Zubereitung des Essens sehr wichtig, weil sie das, was und wie wir essen, beeinflusst. Manchmal glaube ich, dass wir nur durch die Umgestaltung der Küche unser Essen radikal verändern können. 2003 habe ich MTKS-3 (Metaterritorial Kitchen System3), ein Projekt zur Idee einer Open Source-Küche und zum Konzept durchgeführt, dass eine Küche sich an keine kulturelle Tradition anpassen darf, sondern den Experimenten neuer Prozesse gegenüber stets aufgeschlossen sein sollte. Das Essen, das dabei herauskommt, ist natürlich anders und bedarf eines anderen Verzehrrituals.“
Und darüber, was die Merkmale der idealen Küche sein sollten, besteht laut Guixé nicht der geringste Zweifel:
„Die ideale Küche ist eine, in der man neue Dinge ausprobieren kann, und die sich wie eine frisch geputzte Schreibtafel verhält.“