Die italienische Küche geht in das nächste Jahrtausend

Angela Frenda

Italien

Adieu Spaghetti mit Bolognesesauce. Endlich ist unsere gastronomische Renaissance da. Dies ist zum Teil Chefköchen wie Bottura zu verdanken, andererseits jedoch auch der gewonnenen Herausforderung, die Tradition zu erneuern.

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Vergessen sind die klassischen Spaghetti Bolognese oder typische Szenen in Filmen wie Big Night mit Standley Tucci, bei denen sich alles ums Kochen typisch italienischer Gerichte dreht. Das gibt es zwar auch noch, aber als Massimo Bottura sich am Abend des 13. Juni 2016 auf der Preisverleihung der World’s 50 Best Restaurants in New York bei Italien bedankte und dazu einen Schal in den Farben der Tricolore schwenkte, war eine neue italienische Küche geboren. Der Koch aus Modena mit den lebhaften Augen und akzentfreiem Englisch wurde zum besten Koch der Welt gekürt. Und wir konnten live dabei sein, wie etwas heiliggesprochen wurde, was unserer Meinung nach schon lange Anerkennung verdient hatte: Die italienische Küche ist die beste, sie macht Schule und sie befindet sich im Wandel.

Vielleicht ist es der New Italian Way. Keine Redensart, sondern eine neue Lebensweise und eine neue Küche. Diese ist uns in Italien schon lange bekannt und vertraut. Die augenscheinlich einfache Zubereitung von Spaghetti mit Venusmuscheln führt je nach Geschick zu einem völlig anderen und komplexen Ergebnis. Erklären Sie das einem englischen Touristen, der geführt von seinem Baedecker an der Amalfiküste ganz einfach Spaghetti bestellt und Spaghetti erwartet. Es ist ein Gericht mit vielen Facetten, das gänzlich neue Ausdrucks- und Geschmacksformen annehmen kann. Und gleichzeitig ist es auch ein Stück Geschichte, das sich in einer immer neuen Kombination erneuert und wiederbelebt und somit die Augen für die Zukunft öffnet. In dieser Hinsicht ist Italien nahezu ideal. Das große Glück hervorragender Zutaten hat für seinen weltweiten Erfolg gesorgt und zur Stigmatisierung einer Exzellenz geführt, die viele Starköche inspiriert hat.

So hat sie beispielsweise Jamie Oliver sogar zu einer handelsüblichen Marke gemacht. Die Tricks und Kniffe der italienischen Küche, die er quasi im Hinterzimmer der Küche des Restaurants von Antonio Carluccio im Handumdrehen gelernt hat, erklärte er Millionen von Briten in der BBC so einfach, dass sie jeder nachmachen konnte. Ähnliches gilt für Nigella Lawson, die mit verführerischer Stimme und einem Augenzwinkern im Fernsehen und in ihren Bestsellern demonstriert, wie eine Lasagne zur ehelichen Treue beitragen kann. Und was die USA betrifft, so haben die beiden Simili-Schwestern Margherita und Valeria, die bald jenseits der 60 sein werden, auf ihrer Reise um die Welt das Geheimnis der guten Hausmannskost Bolognas enthüllt und es sogar auf die Titelseite der New York Times geschafft. In den englischsprachigen Ländern hat Italien, was die Küche betrifft, schon immer den Weg gewiesen. Leute wie Anna del Conte (in England) und Marcella Hazan (in den USA) haben ganzen Generationen das Geheimnis unserer Rezepte verraten und sind zu echten Ikonen der italienischen Küche geworden. Mit Engelsgeduld haben sie erklärt, dass Spaghetti auf italienische Art nicht zwangsläufig mit Bolognesesauce gegessen werden und dass man Nudeln bissfest kocht. Dass Olivenöl und gute Butter besser zum Kochen sind, als anderes Öl oder Margarine. Es ging sogar so weit, dass sich Marcella Hazan mit dem Chefkoch Mario Batali darum stritt, dass Risotto „in einer Kasserolle und nicht in einem hohen Topf zubereitet werden muss. Denn so macht man das in Italien!“

Heute ist die internationale Vorstellung dessen, was die italienische Küche ist, etwas moderner. Dazu genügt es, sich einen beliebigen Buchladen in London anzusehen: Mindestens 50 Prozent der Kochbücher drehen sich um die neue italienische Küche. Diese scheint ihre alte Patina verloren zu haben, sodass jetzt ein neuer Wind weht, von der Opulenz einer Hazan bis zu Bottura und seiner Anhängerschaft.

Alle wollen italienisch essen. Und traditionelle Gerichte scheinen in zu sein. Octopus hat die Römerin Eleonora Galasso mit einer kulinarischen Reportage betraut, die an der Seite der Fotos von David Loftus zur Hochglanzausgabe „As the Romans do“ geführt hat. Katie Parla, Italienkorrespondentin für die New York Times, hat der römischen Küche sogar mit dem (vielgelobten) „Tasting Rome“ ein Denkmal gesetzt. Aus ihrem Apartment am Testaccio in Rom berichtet die Food-Journalistin Rachel Roddy den Engländern im Guardian, was hier täglich auf den Tisch kommt (und ihre Erzählungen wurden in dem sehr schönen Buch „A Kitchen in Rome“ zu einem Schmuckstück der neoliberalen Küche zusammengefasst). Alles in allem schien sich langsam etwas (zum Besseren) zu ändern. Die Amerikaner hörten jedoch in einem Bericht über Massimo Bottura, den die Journalistin Jane Kramer für die Zeitschrift New Yorker verfasste, erstmalig, was es Neues in der italienischen Küche gab. Daher wurden die Begriffe „Italy“ und „Gastronomy“ auch noch als Gegensätze verstanden, als Bottura 1995 in der Osteria Francescana mit seinen Experimenten begann. Als er sich entschied, die typisch italienische Hausmannskost wie „Pasta e Fagioli“, den „Bollito“ oder Tortellini in ihrem Wesen auseinanderzunehmen, zu synthetisieren und zu einer modernen Version wieder zusammenzufügen, schieb Kramer: „Bottura bringt beim Kochen Emotionen mit ins Spiel... und er stellt Italien an erste Stelle für alle Reisenden, die Spaghetti mit Fleischklößchen am liebsten zu Hause essen.“

Sie war die erste, die die Philosophie Botturas analysierte und was unserer gastronomischen Renaissance schließlich den Weg weisen sollte: Sich von der Tradition begleiten und nicht einengen zu lassen. Eine langsame Dekontaminierung einer Vergangenheit, die die Weiterentwicklung in der Küche verlangsamt hat, indem sie sich an die Region kettete. Dies hat die italienische Küche zu einer Ansammlung berühmter Rezepte gemacht, die es, mit Ausnahme einiger großer Beispiele der Vergangenheit wie Artusi, nicht geschafft haben, zu einem gemeinsamen Erbe zu werden. Spaghetti Carbonara bedeutet Spaghetti Carbonara. Aber es gibt sie in tausend Varianten. Häufig wurde das Traditionsgericht jedoch als Hausmannsgericht polemisiert, das der Haute Cuisine lange nicht das Wasser reichen kann. Zum Glück ist es damit vorbei. Auch wenn die wahre Herausforderung immer noch darin besteht, die Tradition zu erneuern und sich dabei bewusst zu sein, dass Experimente dort, wo diese am stärksten ist, auch am schwierigsten sind. Denn es besteht die Gefahr, dass das Erbe der gastronomischen Kultur, das uns unsere Großmütter vermacht haben, verraten wird.

Ein Erbe empirischer kulinarischer Weisheit ohne Waage und Messbecher. Das Kochen nach Augenmaß und oft nächtelange, liebevolle Zubereiten von Fleischsaucen und frischer Pasta, die mit dem Nudelholz ausgerollt wird. Dieses kostbare Erbe erreicht in der italienischen Küche das nächste Jahrtausend. Sie ist voller antiker Aromen, die heute (auch) eine andere Sprache sprechen.

Es ist eine Zukunft, in der sich die großen Chefköche den Luxus erlauben können, uralte Rezepte wie Reisgerichte und Spitzkohl zu variieren oder einen Kartoffelauflauf zu neuem Leben zu erwecken. Im Zug der großen Bugwelle, die die italienische Küche international vor sich herschickt, setzen sich auch Touristen gerne an einen Tisch, an dem die Tradition wie ein roter Faden alles vereint, an dem die Gegenwart und die Zukunft jedoch aus Köstlichkeiten sprechen, die die Experimentierfreudigkeit feiern. Dort, wo die Gestaltungsfreiheit unseren Köchen obliegt. Endlich.

 

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